Geboren und aufgewachsen am Rand der Sächsischen Schweiz, Kindergarten ohne nennenswerte Schäden überstanden, hatte ich erste Kontakte mit der Fotografie während meiner Schulzeit im zarten Alter von vielleicht 10 Jahren. Der große Durchbruch blieb aus, andere Dinge, zu denen das Lernen nur bedingt zählte, wurden wichtiger. Aber auch die Schulzeit nahm ein Ende und mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Maschinenbauer schien mein Lebensweg, zumindest für meine Eltern, ziemlich klar umrissen.
1985 verließ ich die DDR und verbrachte einige Jahre im Schwarzwald in Baden-Württemberg. Nach Jahren mit relativ eingeschränkten Reisemöglichkeiten in der DDR stand plötzlich die Welt offen. Ich war zu dieser Zeit meist kletternd in den süddeutschen und französischen Klettergebieten unterwegs, Teile Nordamerikas und Europas erschloss ich mir mit dem Fahrrad. Arbeit war nur eine lebens- und sporterhaltende Notwendigkeit. Im Nachhinein war es eine sehr intensive und lehrreiche Zeit, auch um festzustellen, in welch schönem
Teil Deutschlands ich aufwachsen konnte.
Dem Leben im perfekt regulierten Deutschland nach einer Weile überdrüssig, lagerte ich 1991 meine Habseligkeiten in den Kellern von Freunden ein und flog nach Australien. Ich wollte ein Jahr lang reisen und einfach mal sehen, wie die Menschen in anderen Teilen der Welt leben. Die lockere Lebensart der Australier gefiel mir, Dinge wie Hausordnung und Autoputzen schienen schienen nicht mehr Lebensinhalt der Mehrheit zu sein und die gebraucht gekaufte Enduromaschine war hervorragend geeignet,
ein wenig vom roten Kontinent zu sehen. Nach vier Monaten in Australien verbrachte ich drei Monate wandernd in Neuseeland, aber richtig gespannt war ich auf Nepal. Ich wollte endlich mal die höchsten Berge der Welt, die ich nur aus Bildbänden kannte, mit eigenen Augen sehen. Mein erster Kontakt mit der so genannten Dritten Welt war irritierend. Noch nie zuvor hatte ich Menschen in Armut und Schmutz leben sehen, Ansichten zu meiner eigenen Kultur begannen sich zu relativieren. Es war wieder möglich, einige der Dinge zu schätzen, die ich vorher für dekadent und überflüssig hielt.
Dies passierte später in Indien noch oft. Die Wanderungen im Annapurna- und Langtang-Gebiet waren ein unvergessliches Erlebnis, aber ungünstige Visa-Regeln zwangen mich, Nepal früher zu verlassen, als ich vorhatte. Auf Indien somit überhaupt nicht vorbereitet, war Varanasi als Ankunftsort eher ein Schock. Es war Mitte Mai, die wärmste Zeit des Jahres in der Gangesebene und ich fühlte mich als Fremder wie nie zuvor. Ich verbrachte einige Wochen im unerträglich heißen Flachland und „flüchtete“ dann völlig entnervt nach Ladakh im Himalaya. Mit anfänglichen Nie wieder Indien- Gedanken
wieder in Deutschland zog ich zurück nach Dresden und begann eine Ausbildung zum Physiotherapeut. Damit kam ich zu einem Ort zurück, den ich erst während meiner langen Abwesenheit richtig zu schätzen lernte und hatte auch einen Beruf gefunden, der mich erfüllte. Nach und nach erwachte meine Reiselust wieder und 1997 flog ich nach Indien zurück. Nach nichts mehr auf der Suche, verbrachte ich viel Zeit an religiös wichtigen Orten und mein Reisetempo verlangsamte sich mehr und mehr. Ich war neugierig und ließ mich treiben. Nach 12 Monaten zurück in Dresden
war mir klar, dass dies nicht das letzte Mal in Indien gewesen sein kann, dafür war diese Reise viel zu interessant. Und ich hatte gerade mal eine Ahnung davon bekommen, was diese Kultur an Werten besitzt, die bei uns schon lange verloren zu sein scheinen. Im Herbst 2000 erfüllte ich mir einen alten Traum und fuhr mit dem Fahrrad überland nach Indien. Was eigentlich nur als Alternative zum viel zu schnellen Flugzeug geplant war,
entwickelte sich zu einer 35.000 km langen Radreise, 22.000 km davon nur in Indien. Für mich eine wunderbare Möglichkeit, mir mein Vorwärtskommen selbst zu erarbeiten und ganz neue Facetten Indiens kennen zu lernen. Ich konnte fahren, wann und wohin ich wollte und, fast noch wichtiger, ich konnte anhalten, wann immer ich wollte. Es war angenehm, mit dem Fahrrad als dem Transportmittel der ärmeren Bevölkerung nicht ständig als der
unendlich reiche Westler abgestempelt zu sein. Aber 20 Monate unterwegs zu sein war auch eine lange Zeit, ich freute mich sehr auf Dresden und die Freunde hier in der Nähe und hatte eine lange Zeit überhaupt nicht das Bedürfnis, von hier wegzufahren.
Dennoch, Indien wurde zu einem Land, welches einen großen Reiz auf mich ausübt und so war es nur eine Frage der Zeit, bis das Fernweh wieder groß genug wurde.
Nach der Radtour in den Jahren 2000 bis 2002 folgten viele weitere Reisen nach Indien. 2007 war ich noch mal 6 Monate in Nordindien unterwegs, nur 2008 gab es einen kleinen, aber sehr schönen Ausrutscher nach Kambodscha. Den Nordosten Indiens konnte ich 2010 und 2011 als Leiter von Reisegruppen kennen lernen, in den Jahren darauf war ich einige Monate für mein neues Vortragsprojekt „INDIEN – zwischen den Welten“ fotografierend in vielen anderen Gegenden des Subkontinents unterwegs. Mittlerweile sind es ungefähr 5 Jahre meines Lebens, die ich in diesem nie langweilig werdenden Land verbracht habe. Ein Ende ist nicht wirklich abzusehen, obwohl mein fotografischer Fokus im Moment eher auf Nepal liegt. Ich fühle mich einfach wohl in dieser Kultur und mittlerweile auch ein klein wenig zuhause.
Wobei das “richtige” Zuhause wohl immer die schöne Stadt an der Elbe bleiben wird…